Heliskiing in Island: Powdern unter der Mitternachtssonne
Wenn anderswo die Ski eingemottet werden, legen die Isländer richtig los. Am Polarkreis endet die Heliskiing-Saison erst im Juni, wenn die Sonne nicht mehr untergeht. Keine vier Flugstunden von uns entfernt lockt das Land der Feen und Trolle mit unvergesslichen Abfahrten von Vulkangipfeln bis an die Eismeerküste. „Island ist geradezu unwirklich schön mit diesen riesigen Bergen mitten im Ozean“, schwärmte US-Skistar Julia Mancuso bei den Dreharbeiten für den Warren Miller-Skifilm Ticket to Ride.
Mächtige Vulkane, gigantische Geysire, heiße Quellen, mystische Nordlichter und Sommernächte ohne Dunkelheit Island ist eines der faszinierendsten Länder der Welt. Die meisten Skifahrer fliegen auf dem Weg nach Kanada oder in die USA aber nur darüber hinweg. Noch! Bald schon wird der Newcomer auf der Ski-Weltkarte nämlich kein Geheimtipp mehr sein. Langsam spricht sich herum, dass die Insel am Rande der Arktis ein Paradies für Skifahrer ist, die das Besondere, das Außergewöhnliche suchen: neue Eindrücke, neue Bilder, neue Abenteuer.
Dass Island mittlerweile auch hierzulande von Reiseveranstaltern angeboten wird, ist nicht zuletzt das Verdienst von Jökull Bergmann. Er ist der Ski-Pionier Islands. Der Stammbaum seiner Familie lässt sich über 32 Generationen hinweg bis auf die Wikinger zurückführen, die als erste die zweitgrößte Insel Europas um das Jahr 870 besiedelten. JBs Vorfahren waren Schafzüchter, noch seine Großeltern hielten Schafe.
Heliskiing in Kanada und in den Alpen gelernt
JB aber zog es in die Berge. Schon mit fünf Jahren führte er Gäste auf die Gipfel rund um die Farm, erzählt einer seiner Freunde. Offensichtlich war JB der geborene Guide. Er lernte in Kanada und in den Alpen und kehrte als Islands erster und einziger höchst lizenzierter Ski-Bergführer in seine Heimat zurück. Fünfzehn Jahre lang führte er Tourengeher auf Island und Grönland als Guide, bevor er mit Arctic Heli Skiing das erste Heliskiing-Unternehmen der Insel gründete.
JB und seine erstklassig ausgebildeten Guides aus Island, Kanada, Frankreich und der Schweiz kennen die einzigartige Gebirgslandschaft Nordislands wie niemand sonst. Ihr exklusives Heliskiing-Areal misst 4000 Quadratkilometer. Damit ist es doppelt so groß wie der Kanton St. Gallen. Mehr als 300 Abfahrten hat JB mit seinem Team bereits kartographiert und jede Saison kommen neue dazu in dem Heliskiing-Gebiet, dass in einem kurzen Flug ganz ohne Jetlag erreichbar ist. Die Zeitdifferenz zu Mitteleuropa beträgt nur zwei Stunden.
Heliskiing in Island ist schnell zugänglich
Aber nicht nur die schnelle Erreichbarkeit machen Heliskiing in Island anders als in Kanada oder Alaska. Die meist aus Vulkan-Aktivitäten entstandenen Berge sind nicht so hoch wie in Nordamerika oder in den Alpen, dafür steigen sie aber direkt aus dem Eismeer empor. Vom höchsten Gipfel des Areals auf 1550 Metern kann man bis an den Atlantik abfahren, entsprechend groß ist die Höhendifferenz. Rund zehn Meter Schnee fallen auf den Gipfeln und Gletschern im Durchschnitt pro Jahr. Die Stabilität der Schneedecke ist dabei höher als in den Rocky Mountains, sodass Experten auf extrem steilen Hängen ihre Herausforderung suchen können, ohne dabei größere Risiken eingehen zu müssen. Was in Island möglich ist, hat US-Skistar Julia Mancuso im Warren Miller-Film eindrucksvoll gezeigt. Island ist so ein wunderschönes Land. „Die riesigen Berge mitten im Ozean – ich glaube nicht, dass es so etwas anderswo auf der Welt gibt“, schwärmte Mancuso bei ihren Freeride-Aufnahmen in Island.
Island ist aber nicht nur etwas für Weltklasse-Skifahrer wie Julia Mancuso. Genuss-Skifahrer kommen genauso auf ihre Kosten. Sie wedeln sanfte Hänge hinunter und freuen sich an der einzigartigen Landschaft aus Meer und Bergen, in der es auch nicht so kalt ist, wie viele denken. Dank des warmen Golfstroms ist das Klima in Island milder als in anderen Regionen dieser Breitengrade. Im Winter pendeln die Temperaturen um die Nullgradgrenze, auch wenn es auf den Gletschern deutlich kälter wird.
Die Heliskiing-Saison beginnt im März und geht bis in den Sommer hinein mit herrlichen, nie enden wollenden Firnschneetagen. Schon ab dem 21. März ist es in Island deutlich länger hell. Das macht Heliskiing viel flexibler. Sollte das Wetter tagsüber mal schlechter sein, kann man einfach am späten Abend noch fliegen und Ski fahren. Eine Nachtabfahrt im warmen Licht der Mitternachtssonne ist unvergesslich.
Sicherheit geht vor
JB weiß den abenteuerlichen Charakter einer Skireise nach Island für seine Gäste zu zelebrieren. Sicherheit hat aber auch bei ihm oberste Priorität. Arctic Heli Skiing ist an den kanadischen Branchenverband HeliCat Canada angeschlossen und arbeitet nach denselben Sicherheitsstandards, die weltweit als führend gelten.
Auch in der Lodge bietet JB die üblichen Leistungen, die Heliskier aus Kanada kennen. Die Klængshóll Lodge auf der Troll-Halbinsel war einst die Farm seiner Großeltern. Das weiß getünchte Haus mit dem typischen roten Dach beherbergt mittlerweile das Esszimmer, in dem Koch Gudvardur Gislason Bio-Lamm, Wild und frischen Fisch aus dem Meer und den Flüssen Islands auftischt.
Die Zimmer der Gäste verteilen sich auf eine Handvoll neu gebauter Hütten rund um das alte Farmhaus. Die ehemalige Scheune hat JB zur Bar für die Abende und den Après-Ski umgebaut. Selbstverständlich gibt es auch ein kleines Spa mit der im hohen Norden unverzichtbaren Sauna, von der man einen Traumblick über das Tal und die umliegenden Berge hat. Einige Abfahrten wie die 1200 Höhenmeter überwindende The Horse enden direkt an der Lodge. Wenn man die strapazierten Oberschenkel im Außen-Whirlpool kuriert, kann man so auf seine eigenen Spuren schauen.
Kulisse für Bestseller-Krimi
Die Klængshóll Lodge, die auf Deutsch Raben-Hügel-Lodge heißt, liegt inmitten des einsamen Skíðadalur Tals rund 45 Autominuten von Akureyri entfernt im Norden Islands. Akureyri ist die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie hat aber nur 17.500 Einwohner. Krimi-Fans wird sie ein Begriff sein, weil Arnaldur Indriðason dort seinen Besteller Tödliche Intrige spielen lässt.
Akureyri erreichen die Gäste per Inlandsflug von der Hauptstadt Reykjavik aus. Auf der Hinreise kann man noch am selben Tag nach Akureyri weiterfliegen. So erreicht man am Nachmittag schon die Klængshóll Lodge, wo als erstes das obligatorische Sicherheitstraining stattfindet. Danach wird jeden Tag geflogen. Der exklusive, kleine Helikopter transportiert nur vier Gäste und maximal drei Gruppen. So sind viele Höhenmeter und größtmögliche Flexibilität garantiert. Selbst am Abreisetag wird noch Ski gefahren. Erst am späten Nachmittag bringt JBs Team die Gäste zum Flughafen nach Akureyri, von wo sie zurück nach Reykjavik fliegen.
Abstecher zu Geysiren und Vulkanen
Islands Hauptstadt ist klein, aber einen Zwischenstopp wert. Wer nicht schon am nächsten Tag nach Hause fliegen will, kann noch eine Jeep-Tour zu den Geysiren dranhängen. Der Strokkur sprüht zuverlässig alle drei bis sieben Minuten seine heiße Wasserfontäne in den Himmel. Oder man fährt hinaus zu den Vulkanen und besichtigt den Eyjafallajökull, der 2010 die halbe Welt in Atem hielt, als er mit seinen Aschewolken tagelang den Flugverkehr über weiten Teilen Europas lahmlegte. Die Isländer nahmen den heftigen Ausbruch des Eyjafallajökull gelassen – so wie sie alles gelassen nehmen.
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