Ski selber bauen: Unikate von der Zugspitze
Hier ist „handgefertigt“ keine abgedroschene Marketing-Phrase: In der Skimanufaktur „Build2Ride“ können Wintersportler ihre Traumski und -Snowboards selbst bauen. Für eine Probefahrt ist Deutschlands höchster Berg gleich um die Ecke.
Ski- und Snowboard-Bau mit Build2Ride
Wo könnten sich Top 100 Hot-Spots in Bayern befinden? Selbst, wenn man tausendmal raten dürfte: Auf eine ehemalige Schreinerwerkstatt im 3.600-Seelen-Örtchen Farchant würden wohl nur die wenigsten tippen. Zwischen urigen Häusern am Ortsrand hat das Magazin BUNTE aber einen solchen Hot-Spot ausgemacht. Im Schatten der Zugspitze stellen Axel Forelle, Matthias Schmidlechner und ihre Kollegen handgefertigte Ski in ihrer Manufaktur „Build2Ride“ her. Manchmal leiten sie aber auch nur an. In 30 Skibauseminaren pro Jahr geben sie Wintersportlern bei Garmisch-Partenkirchen die Gelegenheit, ihr eigenes Unikat zu schaffen.
„Wenn du dich leidenschaftlich mit etwas befasst, dann musst du dich auch mal mit dem Material auseinandersetzen“, findet Forelle. Und wohl auch zahlreiche Skifahrer und Snowboarder – das jedenfalls lässt sich aus der hohen Nachfrage schließen. Bis die Hobby-Bastler aber tatsächlich Hand anlegen dürfen, muss erst mal der Kopf arbeiten. Soll es ein Pisten-, Touren- oder Freeride-Ski werden? Für welche Größe, welches Gewicht, welche Fahrweise? In einem Vorgespräch mit den Experten klärt man die wichtigsten Eckdaten.
„Wir verkaufen keinen bestehenden Ski, sondern der Kunde sagt uns ganz genau, was er gerne hätte“, erklärt Forelle. Über die Optik darf man sich dann ganz alleine Gedanken machen. Von einem schicken Holzfurnier bis hin zu eigenen Kreationen ist alles möglich.
Die ersten handgefertigten Ski bauten Forelle und Schmidlechner 2009, 2012 gründeten sie ihre Skimanufaktur „Build2Ride“. In die Weiterentwicklung ihrer Produkte steckten sie Unmengen von Teststunden. Selbst heute noch stellt Forelle neue Ideen an bis zu 100 Tagen pro Jahr im Schnee auf die Probe. „Mal Materialien, mal neue Techniken. Dadurch ändern sich aber nur noch Nuancen.“
Handwerkskunst „traditionell anders“
Und manches ändert sich im Vergleich zum Ur-Ski aus Esche praktisch gar nicht. Noch immer gibt es einen Holzkern, der von High-Tech-Elementen lediglich unterstützt wird. Und auch die Skibauer setzen bei ihrer Arbeit auf einen Mix aus Tradition und Moderne. Damit präsentiert sich Build2Ride „traditionell anders“, meint Bayern Tourismus. Unter diesem Motto stellt die Gesellschaft Handwerker vor, aber auch Künstler oder Dienstleister, die bayerisches Brauchtum bewahren. „Von der Zusammenarbeit profitieren beide Seiten“, sagt Forelle. „Bayern Tourismus vermarktet handgefertigte Produkte aus der Region, da zählen wir zu den größeren Anbietern.“
Das traditionelle Handwerk darf allerdings durchaus modern und innovativ interpretiert werden. Im Fall von Build2Ride zum Beispiel ist es eine ungemeine Erleichterung, wenn man in Ausübung althergebrachter Handwerkskunst mal eben zum Laser greifen kann, um Fiberglas mit höchster Präzision zuzuschneiden.
Den Seminarteilnehmer dagegen stehen weniger futuristische Hilfsmittel zur Verfügung. Sie erledigen ein Wochenende lang echte Handarbeit. Kanten müssen gebogen und geklebt, Glasfasermatten zurechtgeschnitten und Holzkerne mittels Harz auf den Belägen fixiert werden – alles mit Muskelkraft und Fingerspitzengefühl. Je nach gewünschtem Einsatzgebiet werden Ski oder Snowboards mit Holzleisten und Schraubzwingen in Form gebracht. Vakuumverpackt nächtigen die Rohlinge dann zum Aushärten in einem Ofen.
Das Produkt im Mittelpunkt
Zu diesem Zeitpunkt hat man sich ein Feierabendbierchen redlich verdient. Was nicht bedeutet, dass die ersten Flaschen nicht schon die Runde machen, bevor der Werkzeugkasten zugeklappt wird. Die Atmosphäre im Seminar ist entspannt, neben viel Fachsimpelei werden auch lockere Sprüche ausgetauscht. Bergpuristen müssen den einen oder anderen Après-Ski-Hit aushalten. Und wer möchte, lässt den Tag später in geselliger Runde im Wirtshaus Revue passieren.
Bei aller guten Laune: In den Seminaren steht nicht der Eventcharakter im Vordergrund. „Es geht um das Produkt“, betont Forelle. Auf das sind am nächsten Morgen bange Blicke gerichtet. Ob es die Nacht im Ofen heil überstanden hat? Mit der Stichsäge werden überstehende Glasfasern und Harz entfernt. Dann der grosse Moment: Wie von einem teuren Geschenk ziehen die Seminarteilnehmer die Schutzfolie ab. Einige Auge strahlen dabei mehr als die glatte Oberfläche von Ski oder Board.
Schleifen, Wachsen und Montieren der Bindungen ist dann wieder Sache der Profis. Am Sonntagnachmittag hält man sein neues Sportgerät in den Händen. Wen würde da nicht die Lust auf eine Probefahrt packen – erst recht, wenn die Zugspitze über den Wintersportlern aufragt wie das Gestalt gewordene Versprechen nach Spaß im Schnee?
Testfahrt auf der Zugspitze
Bis zu Deutschlands höchstem Gletscherskigebiet ist es von Farchant aus zum Glück nicht weit. Dort warten zwischen 2.000 und 2.700 Metern Höhe rund 20 mit Naturschnee überzogene Pistenkilometer. Auch für Freerider hält das Gebiet einige tolle Hänge bereit. Und wenn das Wetter mitspielt, wird die Abfahrt „Riffelriss“ geöffnet, die auf 4,5 Kilometern Länge nicht nur herrliches Skifahren und Snowboarden verspricht, sondern auch grandiose Aussichten.
Mit selbst gefertigten Brettern an den Füßen gilt die Aufmerksamkeit aber weniger dem Panorama. Zumindest auf den ersten Hängen konzentriert man sich voll auf das Fahrverhalten. Wenn man es wie Axel Forelle hält, würden viel mehr Skifahrer und Snowboarder eine solche Jungfernfahrt unternehmen. „Einmal im Leben sollte man ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und einen eigenen Ski bauen“, meint jedenfalls der Ex-Rennläufer. Die ersten beiden Punkte seines Credos hat er noch nicht abgehakt. „Aber einen Ski zu bauen, ist ohnehin wichtiger“, sagt Forelle mit einem Augenzwinkern.
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